Am vergangenen Wochenende ging es in das Mutterland des Cross. Vor zwei Jahren waren wir als Zuschauer bei diesem sportlichen Event schon mal dabei. Cross hat in Belgien den Status von Nationalsport (in Ermangelung von Fußball) und die Belgier feiern die Rennen mit Fritten und Bier als Volksfest mit 5-20.000 Zuschauern. Die Stimmung an der Strecke ist der absolute Hammer. Was unser Lukas Podolski ist deren Sven Nys. Und da ich eine Elite-Lizenz habe, könnte ich doch…? In einem Anflug von Wahnsinn und Übermut meldete mich Alex Anfang Herbst für den Superprestige Franchorchamps-Spa an. Superprestige ist die höchste Rennserie bei den Belgiern. Noch Fragen?
Zum Aufwärmen ging es am Samstag, weil auf dem Weg, nach Cochem. Nach dem Regen der vergangenen Tage war uns klar, dass uns dort wieder Matsch erwarten würde, zusätzlich zu dem rechts-um-den-Baum-links-um-den-Baum-Rumgezirkel. Nach dem Rennen sattelten wir direkt den von Tim geliehenen Roomster und fuhren weiter Richtung Westen nach Spa – zum einen, war unser Hotel da, zum anderen trafen wir uns dort mit Ariane, Alex und Sebastian, die einmal sehen wollten, was uns so an den Wochenenden im Herbst umtreibt. Vorher schauten wir kurz beim Rennkurs vorbei, wobei es dort nicht viel zu sehen gab, denn auf das Gelände des Rennkurses kamen wir nicht drauf. Wir bezogen das Hotel, hatten eine sehr leckere Pizza zum Abendessen und dann ab in die Kiste.
Sonntag Morgen, 6 Uhr, Aufwachen, Renntag! Alex hat vor Aufregung die Nacht nicht geschlafen, während ich friedlich schlummerte. nach einem frühen Frühstück Aufbruch zum Startnummer abholen. Das fand nicht auf dem Gelände selber statt sondern in einem Hotel am Ortseingang von Francorchamps. Außer mir standen nur Jugendfahrer für ihre Nummer an, ich bekam gegen Vorzeigen meiner Lizenz meine Startnummer, unterschrieb und schon stand von der Seite einem Start nichts mehr im Wege. Gegenüber des Hotels gab es eine Bäckerei, so dass wir die Frühstücksversorgung für Ariane und Co übernahmen. Ankunft auf dem Parkplatz der Teilnehmer. Die Ordner wollen eine Parkerlaubnis sehen, die wir nicht haben aber irgendwie glauben sie mir beim Vorzeigen der Startnummer, dass ich auf den Platz mit all den Wohnmobilen darf. Wir finden das Wohnmobil unserer Supporter, stellen uns daneben und während die drei frühstücken, laufen Alex und ich den Kurs ab. Die Startgerade geht rauf-rauf auf der Rennstrecke – alter Falter! Dann 180° Wende, leicht runter und dann links einen Steilhang runter ins Gelände an dessen Ende eine 90° Kurve wartet. Es geht über eine matschige Wiese, Linkskurve, Rechtskurve, über eine Brücke, und dann zum ersten “Leckerbissen”: ein Steilhang zum hochlaufen. Wenn man oben über Kreuz kuckt, geht es auf Asphalt ein bisschen runter, Rechtskurve und rechts den nächsten Steilhang zum Hochklettern rauf. Dort darf man bloß nicht stehenbleiben, denn dann könnte man direkt rückwärts wieder runterkippen. Oben rauf aufs Rad und wieder auf eine matschige Wiese. Die ersten 50 Meter dort lassen sich noch fahren, danach ist im Rennen und Rad tragen für gute 300m durch Schienbein-hohen Flüssigschlamm angesagt. Es geht einen rutschigen Abhang laufend runter und dann kann man sich mal für 400m flach bzw leicht abschüssig sammeln, bevor es in einer scharfen Linkskurve in einen Waldabschnitt rauf geht. Dort Gehoppel über Wurzeln, wieder einmal heißt es absteigen, um über die letzte Kante zu kommen, für 100m geht es dann auf Asphalt runter und man könnte uns direkt über die Brücke schicken. Aber es ist Cross und deswegen muss man einen matschigen Abhang hochstapfen, oben aufs Rad springen und den Buckel wieder runterfahren. Und erst dann geht es über die Brücke, die uns wieder auf die Startgerade führt.
Als ich die Runde dann das erste Mal abfahre, treffe ich Mara, ebenfalls eine Deutsche und wir quatschen die ganze Zeit. nachdem ich zweimal die Runde gefahren bin, heißt es warten, bis ich mit dem Warmfahren beginnen kann. Dafür ist das Wohnmobil Gold wert. Alex und Alex schauen sich die Ausrüstung der Nachbarn an (“Wir müssen aufrüsten!”) und ich sitze im warmen Wohnmobil. In der Zwischenzeit rollen die Fanbusse auf den Parkplatz. Gegen halb 1 ziehe ich mich um und um Viertel vor treffe ich mich mit Mara zum Warmfahren. Wir finden eine ruhige Straße und machen uns also warm. Dann schnell die Schuhe gewechselt und auf zum Start. Die Startaufstellung lässt noch ein bisschen auf sich warten und so fahre ich hin und her. Dann endlich geht es los. Ein UCI-Komissär erklärt uns noch, dass die Schlammlaufpassage nach dem zweiten Steilhang um 50m wegen des ganzen Schlamms verkürzt wurde. Ob das einen Unterschied machen würde? Egal, wir werden aufgerufen, die “großen” Mädels dürfen natürlich in die erste Reihe, ich werde hinten einsortiert. Ariane, mein Wechselzonenluder der ersten Stunde, nimmt all meine nicht-notwendigen Klamotten entgegen und ich bin bereit. Es geht der Startpfiff und wir fahren los. Mein Start ist grottig wie immer und ich komme als letzte am Wendepunkt an. Aber was freu ich mich in dem Moment! Einfach in diesem Rennen dabei sein zu können! Hach, ich freu mich. Dann geht es diesen Ätzabhang runter und ich die einzuholende Konkurrenz ist nicht allzu weit entfernt. Wir wühlen uns durch den Modder. Ich freu mich immer noch, auch wenn ich vermutlich nicht so aussehe. Den Belgiern ist es egal, sie feuern einen dennoch an, häufig sogar mit Namen, obwohl die mich gar nicht kennen. Am zweiten Steilhang bin ich an den nächsten drei Mädels dran und bei der Laufpassage überhole ich sie mit geschultertem Rad. Der Schlamm spritzt, die Schuhe sind im Nu durch, der Dreck ist überall. Was ein Spaß! Runter, durch den Wald und wieder die Startgerade rauf. ich fahre an Alex vorbei, der im Depot auf mich wartet, sollte ich wechseln müssen, aber der Schlamm ist so schön flüssig, dass das Getriebe nicht zusetzt und ich nicht wechseln muss. Rauf auf den ersten Steilhang, zweiter Steilhang, rauf aufs Rad und dann auf die Wiese. Da treffe ich die Spur nicht, das Rad bleibt irgendwie stehen und ich kippe, vermutlich zum Kaputtlachen anzusehen, einfach nach links in den Schlamm. Das gute ist, dass die Pampe so tief ist, dass ich mir gar nicht weh tun kann. Aufstehen und Rad auf die Schulter – Aufspringen und fahren würde an dieser Stelle nicht funktionieren. Da überholte mich dann auch eine meiner drei Verfolgerinnen. Quatsch-quatsch-quatsch geht es durch den Moder. Das ist der Moment, in dem ich total fertig bin und nicht mehr so richtig will. Aber egal, weitermachen! Im Anstieg im Wald mache ich einen Fahrfehler, komme doof bei einer Wurzel an und muss vom Rad runter. Na, dann laufe ich eben. Und auf in die nächste Runde. Mit jeder Runde bekomme ich mehr und mehr Sicherheit auf dem Kurs und als ich aus der Schlammlaufpassage zurückkomme sehe ich, dass die Spitze gerade den zweiten Steilhang hochklettert. Jetzt bloß nicht bummeln und einholen lassen! Der Abschnitt durch den Wald lässt sich gut fahren und ich freue mich schon auf die vierte Runde, als mich dann der Ordner rausholt. Schade, ich war gerade warm! Die Spitze lässt noch ein bisschen auf sich warten, aber egal. Mara, die nur wenig vor mir fuhr, wurde auch schon rausgenommen. Ariane kommt direkt und ich bin froh, direkt trockene Klamotten anziehen zu können. Ich rolle rüber ins Depot und treffe Alex, der mein Rad sauberkärchert und wir beeilen uns, vor dem Eliterennen die Räder zu verladen und umzuziehen.
Was ein cooler Tag und was ein tolles Rennen! Die Atmosphäre ist der Hammer und es ist echt großartig, vor so viel Publikum ein Rennen fahren zu können. Das schreit nach Wiederholung!