Tag 1
Zum Start versammelten wir uns im Zentrum von Vittoria. Direkt auf dem Marktplatz sammelten sich ca. 350 unerschrockene Radfahrer, größtenteils auf Gravelbikes, aber auch einigen Mountainbikes. Es war trocken und nicht zu warm, das sah erst einmal nach guten Bedingungen aus. Ohne große Ansprache ging es dann pünktlich um 8:00 Uhr los. Eigentlich recht unspektakulär.
Wie angekündigt war die Fahrt aus der Stadt heraus neutralisiert, alles andere wäre wohl auch unverantwortlich gewesen, mit solch einem Pulk durch den spanischen Verkehr. Aber so lief es sehr entspannt. Polizei vor und hinter uns und wir hinter dem offiziellen wagen hinterher. Wir fuhren aus der Stadt heraus, bis in den nächsten Ort. Nach ca. 7km wurde das Rennen dann am ersten Schotterstück eröffnet.
Ich musste ja meine Ansage wahr machen und als erster in die erste Kurve fahren, also setzte ich mich direkt an die Spitze, behielt dabei immer meinen Wattmesser im Auge. 230 Watt waren in Ordnung – dachte ich mir – als ich mich dann aber umdrehte war niemand mehr an meinem Hinterrad. So war das nun wirklich nicht geplant und die Jungs im Feld hinter mir dachten sich vermutlich: Was ein Anfänger. Verdammt, aber stehen bleiben wollte ich nun auch nicht. Also erst einmal weiter gekurbelt, bis mich nach ca. 15km ein zweiter Fahrer einholte, mit dem ich die nächsten 25km zusammen fuhr. Wir wechselten uns gut ab und kamen auch gut voran, ohne dass wir uns komplett abschossen. Mein Wattmesser pendelt immer so zwischen 200 und 250 Watt, also vollkommen in Ordnung. So fuhren wir bis in die ersten Ausläufer des Urbasa Waldes, als ich wieder in die Führung gehen wollte. Dabei bemerkte ich, dass mein Vorderreifen immer platter wurde. Fing ja gut an, nach 40km schon der erste defekt. Ok, also stehen geblieben und Reifen kontrolliert. Ich hatte einen kleinen Riss oder Schnitt in der Reifenflanke, den hatte die Dichtmilch wohl nicht erreicht. Also schüttelte ich den Reifen etwas, so dass die Milch auch das Lock abdichten konnte, pumpte den Reifen wieder auf und weiter. Dadurch hatte ich zwei Gruppen vorbei lassen müssen. Die eine holte ich mir wieder, kaum hatte ich sie hinter mir gelassen, war der Reifen wieder platt. Arghhhhh. Ok, also wieder gehalten und diesmal flickte ich das Lock mit einem Tubelessflicken, damit sollte Ruhe sein – dachte ich.
Die Aktion hatte mich wieder 10 bis 20 Plätz gekostet. Also wieder Aufholen…. Weiter ging es durch den wunderschönen Wald, vorbei an grandiosen Aussichten und immer wieder wunderschöne aber auch arg steinige Wege über zahllose kleinere Anstiege. Nichts dramatisches, aber langweilig wurde es auch nicht. Plötzlich zischte und spritze es richtig und ich hatte den nächsten Defekt. Diesmal ein größeres Loch direkt in der Lauffläche des vorderen Reifens. Also wieder ein Tublessflicken rein gedrückt, Reifen aufgepumpt und weiter. Die Aktion hielt für die nächsten 10km, dann hatte es den Tubelessflicken aus dem Reifen gezogen. Also neuer Flicken und den dann direkt über der Lauffläche abgeschnitten, so dass er hoffentlich drin blieb. Man wird ja kreativ. Leider hatte ich bei der Aktion den Vorderreifen zu fest aufgepumpt, was ich etwas später merken sollte….
Die Strecke ging weiter durch wunderschöne Landschaften, immer wieder aber auch über extrem steinige Passagen, was mit dem Gravelbike ein ziemliches Gehoppel wurde. Bei den schnellen Abfahrten auf dem teilweise losen Schotter merkte ich dann auch das der Vorderreifen zu voll war und in einer Abfahrt passierte es dann: ich wollte bremsen, das Vorderrad blockierte und ich rutschte in eine Erosionsrinne und zack lag ich auf dem Schotter. Dabei war ich voll auf den Ellenbogen gefallen und mein erster Gedanke war: ok, der ist hin, das war es. War er aber nicht 😉 Nachdem der erste Schmerz vergangen war, konnte ich mich wieder aufrappeln. Das Rad war heile und ich konnte noch alles bewegen, schien also nichts gebrochen zu sein. Einige Schrammen an Arm und Hüfte, aber sonst zum Glück nichts – uff. Also weiter. Toll war, dass die Fahrer, die vorbei kamen, als ich mich wieder aufrappelte alle fragten, ob ich Hilfe brauchte. Geht doch …
Nach ca. 210 km kam ich an einer Schutzhütte vorbei, an der ich mir mein Abendessen gönnte: Ein Baguette, das ich mir eingepackt hatte und die Reste meines Tees – hier gab es auch einen Brunnen, so dass ich meine Flaschen noch einmal auffüllen konnte. Leider zog Nebel auf und es wurde kühler aber noch aushaltbar.
Das Wanderstück war dann auch komplett aufgeweicht, so dass ich beinahe die gesamten 3 (?) km schieben oder tragen musste. Zum Glück hatten wir und das Stück vorher angeschaut, so fand ich den Weg recht schnell. Nach einer schönen Abfahrt und einem netten Trail an einem Stausee ging es hinauf zum höchsten Punkt des Tages: ein 1500m hoher Pass. Zunächst auf der Straße, oben dann über eine gute Schotterstraße. Dabei wurde es dann auch immer nebeliger und damit feuchter, so dass ich mir für die folgende Abfahrt die Daunenweste überzog (die ich auch für den Rest der Nacht nicht mehr auszog). Die Abfahrt durch den Wald war phantastisch: komplett alleine und nur die Geräusche des Waldes. Mal hier ein Vogel, da ein Fuchs, dann irgendwelche andere Tiere – unglaublich schön.
Noch ein kleiner Berg und dann folgte eine lange seichte Abfahrt in Richtung Süden. Hierbei kam ich auch an einem der Highlights der Strecke vorbei: die Strecke ging am Irati entlang und plötzlich durch gigantische Tunnel. In der Dunkelheit sah ich nur leider nix von dem tollen Canyon und auch die Tunnel kamen etwas überraschend. Aber immerhin wurde es wärmer.
Es ging dann wellig weiter bis ich endlich so gegen 4 Uhr in Ueje ankam, wo ich geplant hatte, kurz zu schlafen. Ich machte mir erst gar nicht mehr die Mühe einen abgelegenen Platz zu suchen, sondern legte mich einfach am Marktplatz in eine Ecke, zog mich um, baute mein Nachtlager auf, futterte noch etwas und legte mich hin. Peng, ein Knall und in meiner Matratze war die Verklebung zwischen zwei Kammern geplatzt. Luft blieb zum Glück drin, nur hatte ich nun eine große Kammer. War zum Glück nicht ganz so dramatisch, das es das Kopfende war, dennoch ärgerlich bei einer €200 Matratze. Mal sehen, was der Service dazu sagt.
Tag 2
Nach 1,5 Stunden klingelte schon wieder mein Wecker, wobei ich eh nicht soooo viel geschlafen hatte, da ich mich dummerweise unter den Kirchturm gelegt hatte und der bimmelte alle 15 Minuten. Dennoch war ich einigermaßen erholt, zog mich schnell an, packte alles ein, futterte noch etwas, füllte meine Flaschen am nächsten Brunnen auf und los ging es. Um 6 Uhr morgens war die Stadt auch noch leer, so dass vermutlich niemand mitbekommen hatte, dass ich dort geschlafen hatte. Ein Blick auf den Tracker zeigte mir auch, dass ich gar nicht so viele Plätze verloren hatte – das war schon mal besser als im letzten Jahr.
Natürlich meldete sich mein Platten wieder – der Flicken hatte sich wieder verabschiedet. Also ein neuer Versuch: diesmal verknotete ich zwei Fäden, so dass sie sich hoffentlich im Reifen “verkeilten”. Das funktionierte sogar und ab da war dann auch Ruhe mit dem Reifen.
Es ging dann weiter durch eine Plantagen Landschaft. Hier wurde alles Mögliche angebaut, Obst, Gemüse und was sonst noch. Ganz nett aber halt auch kein Highlight. In Melida bog ich kurz von der Strecke ab, um meine Flaschen und Rucksack noch einmal an einem Brunnen aufzufüllen, bevor es in die Bardenas Reales ging. Da gab es dann für die kommenden 70km keine Ortschaft und auch kein Wasser – fast….
Die Landschaft dort ist unglaublich schön. Ich steh ja auf solche Wüstenlandschaften und hier gab es wieder alles: errodierte Felsen, ausgetrocknete Wasserläufe, staubtrockene Ebenen und das alles in diversen Farben. Und knackwarm war es – genau mein Ding 😉
Nun ist es nicht so, dass es dort nie regnet – im Gegenteil, in der Woche zuvor hatte es wohl ziemlich geregnet und daher war ein Wasserlauf nicht so wirklich leer – im Gegenteil, wir mussten irgendwie den recht tiefen und arg schlammigen Wasserlauf überwinden. Ich versuchte es etwas abseits, kam ganz gut über den Bach, war dann aber so blöd, dass ich das Rad zu früh wieder schieben wollte und zack – komplett voller Lehm-Schlamm – beinahe fest wie Beton. Zum Glück fand ich ein Stöckchen, um das Gröbste wieder vom Rad zu kratzen. Naja, sah das Rad wenigstens auch nach Abenteuer aus.
Am Ende der Wüste kamen erst zwei kleine Orte – in einem veruschte ich vergeblich einen Ersatzreifen zu bekommen, was sich als unmöglich herausstellte, dann aber endlich Alfaro. In dem dortigen Supermarkt versorgte ich mich erst einmal: Fanta, Cola, Milchreis, Wasser, So ein Couscous Salat und als Dessert: Ananas – hat die toll geschmeckt!
Frisch gestärkt ging es dann erst einmal ca. 40km durch eine weniger schöne Landschaft in die nächsten Berge. Den ersten kannten wir auch schon, und er war nicht einfacher geworden. Aber schön war er. Es ging ca. eine Stunde bergauf und dann auf dem Kamm an diversen Windturbinen vorbei bevor der Weg zurück ins Tal führte .
Und wieder hoch – natürlich – flach war eher die Ausnahme. Ungefähr als ich auf dem nächsten Gipfel ankam, ging die Sonne auf der einen Seite unter und auf der anderen Seite ging gleichzeitig der Mond auf- unglaublich schön – und ich komplett alleine im stockdunklen Wald.
Wieder ging es an weiteren Windturbinen vorbei – hier konnte man immer wieder die Stellmotoren hören, die regelmäßig ansprangen, um die Rotoren neu auszurichten.
Es kamen dann noch zwei weitere Berge, der zweite wurde dann richtig tricky. Ich war schon ziemlich erschlagen, es müsste so 2 Uhr gewesen sein, dann ging es erst einen extrem steilen Grashang rauf – den ich nicht mehr fahren konnte und mal wieder fluchend mein Rad schob. In der Abfahrt sollte dann ein Trail links abgehen, aber trotz bestimmt 10 minütiger Suche konnte ich den Einstieg nicht finden. So entschied ich mich, einen Umweg zu fahren, um nach ca. 5km wieder auf die Strecke zu gelangen. (dafür bekam ich dann auch 2 Stunden Strafe aufgebrummt). Julia sagte mir nachher, dass der Trail auch bei Tag kaum zu finden war – naja, war dann halt so. Gegen 4 Uhr kam ich dann wieder in einem winzigen Örtchen an, in dem es im “Zentrum” eine tolle Grünfläche gab, auf der ich mein Nachtlager aufbaute – und auch sofort einschlief.
Tag 3
Der Wecker klingelte wieder nach 1,5 Stunden. Es ist unglaublich, aber der Körper verfällt anscheinend in einen Modus, dass ein Schlafzyklus ausreicht, um einigermaßen zu regenerieren. Ok, ausgeschlafen war ich nun wirklich nicht, aber wieder soweit hergestellt, dass ich den restlichen Weg an diesem Tag schaffen sollte. Ich hatte mir ausgerechnet, dass ich so gegen 16 Uhr im Ziel sein sollte – ja, das war mal wieder der Plan….
Nach einem Fruchtbällchen Frühstück saß ich gegen 6 Uhr wieder auf dem Rad. 3 Berge sollten noch kommen: zwei mit jeweils 1000hm und dann als Abschluss ein 2000 Meter hoher Pass. Die ersten beiden Berge waren relativ trivial: größtenteils Asphalt, nicht zu steil – gut zu fahren. Weiter ging es dann aus Asphalt den dritten Anstieg des Tages. Langsam wurde es anstrengender, nicht weil der Weg steiler wurde, sondern weil mein Magen mal wieder rebellierte und ich kaum noch etwas essen konnte. Zumindest keine Riegel mehr. In einem Koster am Fuße des Berges hoffte ich, etwas zu essen zu bekommen, aber der Kiosk war noch zu und obwohl da schon jemand drin war, weigerte sich die Dame mir auch nur ein Eis zu verkaufen – danke auch. Halt spanischer Service….
Immerhin gab es einen Brunnen mit Wasser, was auch gut war, denn was nun folgte war ein endloser Anstieg in praller Sonne auf losem Schotter. Immer wieder musste man schieben, teilweise das Rad auch tragen, denn natürlich hatten sich die Organisatoren auch einige Wanderstücke ausgedacht.
Nach ca. 2 Stunden kam endlich auch ein Brunnen und der kam gefühlt direkt vom Himmel: glasklares eiskaltes Wasser. Am liebsten wäre ich da geblieben, aber ging ja nicht. Es ist faszinierend, wie schnell sich alle Gedanken während solch eines Events nur noch um die absoluten Grundbedürfnisse drehen: Wo gibt es Wasser, Wo gibt es Essen und wo kann ich in der Nacht schlafen. Alles andere wird nebensächlich.
Der Berg zog sich und zog sich, aber irgendwann hatte auch er ein Ende.
Und es ging wieder runter – natürlich über Steine. Also nix mit Erholung, die Abfahrt war so steinig, dass ich eigentlich kontinuierlich bremsen musste. Danke auch an die Organisatoren – ich war schon wieder am fluchen. Weiter unten im Tal kam dann endlich ein Asphalt Stück und ich freute mich schon, da bog der Track wieder ab in einen Schotterweg und direkt ging es wieder rauf – den Berg hatte ich in dem Höhenprofil irgendwie übersehen.
Endlich kam dann irgendwann ein Ort und in der ersten Bar gab es direkt zwei Eis, zwei Cola, und – ein Thunfisch Sandwich. Eigentlich gar nicht mein Ding, aber in der Situation hat der sowas von fantastisch geschmeckt – herrlich. So ging es dann weiter – gefühlt hangelte ich mich von Bar zu Bar. Mal gab es Eis, mal Cola, mal Tortilla – was es halt so gab. Das kostete natürlich Zeit (und dann auch einen Platz) aber ohne Energie wäre es auch nicht gegangen.
An einem weiteren tollen eiskalten Bachlauf stoppte ich noch einmal zum Füße baden. Wieder so ein Moment, in dem man am liebsten nicht mehr aufstehen will, aber geht ja nicht. Das Wasser war darüber hinaus so kalt, dass ich schon nach einer Minute meine Füße nicht mehr spürte, also auch keine Dauerlösung.
Also Schuhe wieder an und Endspurt. Die letzten 60km zogen sich wie Kaugummi. Immer wieder kamen steinige Passagen, kurze bissige Anstiege, mal Wind, eigentlich alle Schweinereien, die einem das Leben schwer machen. Ca. 8km vor dem Ziel dann der absolute Motivationsvernichter. Es war mittlerweile dunkel geworden und der Weg ging wieder durch ein Tal an einem Bachlauf entlang. Hier wurde der Weg so steinig, dass man gefühlt alle 50 Meter das Rad schieben oder tragen musste. Und dieser Spaß ging bestimmt 3-4km lang. Wieder Fluchen – und nicht zu knapp. Was habe ich die Organisatoren verflucht – zum Glück war ich alleine 😉
Dann aber: der letzte Ort in der Nacht, der letzte kurze Anstieg zum Ziel und da: nichts…. Kein Mensch da, nur ein Strich auf der Straße.
Ok, war ja auch so ähnlich angekündigt worden, das Ziel bzw. die Zeitnahme war zwar hier oben, wir sollten dann aber runter in die Stadt rollen, wo dann das echte Ziel war. Also machte ich das, runter in die Stadt zu dem Platz, den wir auch schon kannten, aber auch da: niemand. Hm, ok, das hatte ich dann doch anders erwartet.
Ich wollte schon heim fahren, dann kam doch einer der Organisatoren. Sie hatten das Zelt wegen eines Sturms abbauen müssen und sich ins Hotel verzogen. Aber gut. Er gab mir die Medaille, machte noch einige Bilder und wir quatschten noch etwas. Ich wollte dann aber bald heim – es war mittlerweilse doch 23 Uhr geworden und ich wollte nur noch duschen und Schlafen.
Also die letzten 5km durch die Stadt in unsere Wohnung. Dort angekommen konnte ich immerhin einen Milchreis verdrücken, duschen und dann ab ins Bett, wo ich aber auch durch die viele Cola nicht so wirklich gut schlafen konnte.
Und alles nur für dieses kleine Stück Holz: