Da waren wir wieder. Samstag Morgen, kurz vor 5, es dämmerte und kein Mensch, außer ein paar verirrten Athleten, auf der Straße. Dieses Jahr wurde die virtuelle Variante des Swissman angeboten, da aber Reisen in die Schweiz gerade kein Problem sind, entschied ich mich, das „Rennen“ auf der Originalstrecke zu absolvieren. Nach einer Woche auf dem Campingplatz bezogen wir am Freitag eine Ferienwohnung im Valle Maggie – herrliche Aussicht dort oben! Und wie immer gab es eine Party in der Nachbarschaft, die uns am Schlafen hinderte. Wenigstens brauchten wir uns wegen der Fußball-EM nicht um Autokorsos sorgen…
Der Wecker ging um drei Uhr und dann wurde schnell Kaffee gekocht, Brote geschmiert und das Auto beladen. Und dann schlichen wir uns wieder vom Berg. Auch in diesem Jahr wählte ich die angebotene Duathlon-Variante für das Rennen, denn seit dem 2. Lockdown im Oktober vergangenen Jahres gab es kein Schwimmtraining mehr.
Also, kurz vor fünf Uhr, meine Wechselzone ist eingerichtet, schlappe ich los zu den ersten zehn Kilometern des Tages. Es geht rund um den Golfplatz in Ascona und außer ein paar Gassigehern und zwei weiteren virtuell, realen Athleten ist niemand zu sehen. Mein Darm tanzt Limbo, was die Fluffigkeit des Laufs nicht nur hindert, sondern auch mehrfach unterbricht. Aber, es geht weiter. Nach den absolvierten Kilometern bin ich wieder zurück am Auto und während ich mich für das Radfahren vorbereite, gesellt sich ein Teil des OKs zu uns. Was eine schöne Überraschung, dass die es sich nicht nehmen lassen, für die wenigen Athleten an die Strecke zu kommen! Ich schwinge mich aufs Rad und ab gehts durch das schlafende Locarno. Ich genieße die Stille und die Ruhe – normalerweise sind die ersten 30 Kilometer der Radstrecke immer sehr hektisch, weil so viele Athleten unterwegs sind. Aber so bin ich komplett alleine und ich erfreue mich an der aufgehenden Sonne. Wie immer steht Alex am Abzweig Richtung Biasca und dann geht es Richtung Gotthard. Noch ist die Sonne hinter den Bergen und erst kurz vor Faido fährt man dann auch in der Sonne. Es geht weiter rauf. Die Kilometer vergehen, ich fahre durch Airolo und ab da geht dann der Anstieg in den Gotthard wirklich los. Ich grinse, als ich dran denke, wie die Jungs bei der Tour de Suisse die Woche vorher den Anstieg hochballerten…Dadurch, dass es kein offizielles Rennen ist, fährt Alex die Tremoli hoch und kann auch dort Supporten. Insgesamt ist es dort mit all den Motorradfahrern echt voll. Und ich versuche immer wieder, in den betonierten Rinnsteinen ein wenig neben den Steinen zu fahren. Oben auf der Passhöhe angekommen, steht nicht nur die Swissman-Crew, sondern auch der Alex und reicht mir für die Abfahrt die Weste. Es geht mit Tempo den Berg wieder runter. Hatten wir vorher noch Bedenken, dass uns die Baustelle auf der Nordseite zu sehr aufhalten könnte, passen wir direkt die Grünphase ab und rollen beide durch. Am Kreisel in Hospital steht normalerweise immer der „Medizinmann“ – dieses Jahr leider nicht. Es geht relativ flach Richtung Realp zur Furka. Und die relativ enge Passstraße rauf. Auch hier ist es voll. Zwei Männer überholen mich und bieten mir an, dass ich an ihrem Hinterrad mitfahre, da sie nur ein bisschen schneller sind als ich. Ich lehne dankend ab und sage, dass ich später noch einen Marathon laufen werde und schneller als jetzt dem Lauf nicht zuträglich sein würde. Das verstehen sie und ziehen weiter. Wenig später sehe ich sie dann Pause auf dem Pass machen, während ich mich auf die Abfahrt begebe. Herrlich! Die Abfahrt von der Furka ist meine absolute Favoritin! Unten in Gletsch angekommen geht es dann mit Gegenwind die erste Gerade den Grimsel rauf. Der Grimsel ist ja ein dankbarer, weil kurzer Pass. Alex steht wieder oben und reicht mir noch Essen und Trinken, bevor es dann auf die fast 30km lange Abfahrt geht. Rücklicht an und los geht der Spaß! An dem letzten Anstieg auf der Radstrecke des Tages an der Aareschlucht steht Alex noch einmal und checkt, dass ich alles habe und saust dann vor zur Wechselzone. Und ich rolle weiter. Sobald ich in Meiringen ankomme, fahre ich gegen den Wind an. Runter auf den Auflieger und noch die letzten zehn Kilometer fahren.
Und es gibt tatsächlich eine kleine Wechselzone. Die Mädels von der Orga stellen zwei Swissman-Fahnen auf und Alex hatte mir einen Platz zum umziehen hübsch vorbereitet. Hach, was ist der Campingstuhl bequem! Aber, es hilft ja alles nichts, ich sollte dann mal loslaufen. Wie immer fühlen sich die Beine nicht so, als wollten/sollten/könnten sie nun noch einen Marathon laufen. Aber auch das ist nicht neu. Ich tripple also den Anstieg zu den Griesbachfällen hoch – vor mir zwei Männer in Sichtweite. An dem Fällen habe ich sie überholt. Und dann geht es auf altbekannten Wegen weiter. Alex wartet in Iseltwald auf mich, ich trinke und gebe ihm meinen Müll von den Gels. Er fährt weiter bis Böningen, um mich ab da mit dem Rad zu begleiten. ich schlappe also weiter durch den Wald, immer viel rauf und runter bis ich dann unten am See bin, wo es für wenige Kilometer flach zu laufen ist. Alex kommt mir entgegen mit der Versorgung der kommenden Stunden. Kilometer um Kilometer wird gemacht, es ist warm, an jedem Brunnen wird die Kappe wieder nass gemacht zwecks Kühlung. Und immer geht es rauf. irgendwann sind wir bei Kilometer 29 angekommen und damit an meinem Lieblingsabschnitt der Laufstrecke. Neben mir rauscht der Gletscherbach, ich laufe durch den Wald und weiß, dass es nicht mehr weit ist, bis es dann rauf-rauf geht. Ausnahmsweise braucht Alex nicht vorfahren, um die Rucksäcke checken zu lassen, tut es aber dennoch, um noch einmal in Ruhe Getränke umzufüllen.
Seit wir das letzte Mal in Grindelwald waren, wurden zwei neue Seilbahnen gebaut, die über unseren Köpfen schwirren. Und dann geht es wie immer rauf. Alex ist dieses Mal mit dem Rad auch auf dem letzten Abschnitt unterwegs, damit er weniger tragen muss (denn alles an Wechselklamotten etc muss dieses Mal selbst transportiert werden). Was sich auch später als gute Entscheidung herausstellen wird. Wir kommen ein wenig von der richtigen Strecke ab, landen dann aber wieder auf ihr und ab da haben wir auch keine Schwierigkeiten mehr, den richtigen Weg zu finden. Ich wandere/laufe, während Alex mit 10er Trittfrequenz die Anstiege hochfährt. Und das alles bei Sonnenschein, wobei es kurz vor Alpigeln mal kurz zu tröpfeln anfängt, aber auch schnell wieder aufhört. In Alpiglen angekommen freuen wir uns auf die letzten 4 Kilometer (und ich muss wieder daran denken, wie Dominik mir 2018 ab dort immer eine Salzstange zu essen gab, wenn ich mal wieder 20 Meter joggte…). Wir nähern uns dem „Ziel“ und sehen die aufgestellten Swissman-Flaggen. Bald sind wir da! Rauf auf den Feldherrenhügel, auf dem Beat schon wartet und die Kuhglocke schwingt. Oben und feddich!
Kommen wir noch kurz zum Upsie des Tages, weil ja nicht alles so perfekt laufen kann, wie die 15 Stunden davor. Denn es ist verdammt ruhig auf dem Bahnhof an der Kleinen Scheidegg. Die Frage nach einer Bahn wird uns negativ beschieden – die fuhr bereits um kurz vor 5 (da hätte ich mich nicht nur richtig beeilen, sondern auch noch zwei Std früher starten müssen). Also, fangen wir an abzusteigen! Genau das richtige nach so einem Tag. Ich laufe mir die Beine quasi frei. Alex rollt neben mir her, bis ich ihn dann vorschicke, denn er muss ja noch das Auto in Böningen holen. Und so wandere ich im Abendsonnenschein von der Kleinen Scheidegg wieder nach Grindelwald. Es gab schon Jahre, da wäre das gar nicht gegangen, und auch, wenn ich mir eine Bahnfahrt gewünscht hätte, kann ich die zwei Stunden nutzen, um die vergangenen Stunden Revue passieren zu lassen. Auf einem Abschnitt sammeln sich plötzlich 30 Fliegen hinter mir und ich mache ihnen klar, dass ich weiß, dass ich am Müffeln bin.
Fast zeitgleich kommen Alex und ich auf „unserem“ Campingplatz an. Wir suchen uns ein Plätzchen, bauen das Zelt auf, duschen, essen endlich was nicht Süßes und dann ist der zweitlängste Tag des Jahres auch schon vorbei. Denn der längste wird am kommenden Wochenende bei den 24 Stunden am Feldberg sein!
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