Alex und ich haben einen Teil unseres Urlaubs dieses Jahr in Norwegen verbracht. Natürlich auch, um mal wieder ein Rennen zu machen. Dieses war für mich der Norseman!
Viel Spaß beim Lesen des Berichts!
Die Nacht vor dem Rennen war ungewöhnlich kurz. Nicht nur, weil der Wecker schon für 2 Uhr gestellt war, sondern auch weil Alex am Vorabend noch den Eidfjord Mini Triathlon mitmachte, dessen Start erst um 7 Uhr abends war (es war allerdings ein Duathlon, weil das Wasser so kalt war) und mitten in der Nacht sich eine Horde Jugendlicher überlegte, ihr Zelt direkt hinter unserem Wobi aufzuschlagen, sich dabei lautstark zu unterhalten und die Luftmatratze elektrisch aufzublasen. Als die dann endlich ruhig waren, ging der Wecker. Die übliche Wettkampfroutine ging los: anziehen, Alex zauberte mir meinen Latte Macchiato und ich versuchte, was zu essen. Man, war mir schlecht! Dann ging es rüber zur Wechselzone. Dort zeigte sich, dass es in diesem Rennen immer ums Team geht – ich hatte meine Neoprensocken vergessen und Alex joggte zum Wohnmobil zurück und holte sie, während ich mein Rad fertig machte. Um kurz vor 4 war es dann so weit – Zeit zum Einschiffen. Ein letzter Kuss, ein letzter panischer Blick zurück und schon ging es raus auf den Fjord. Die Atmosphäre auf der Fähre war eigen: voller Anspannung, ein bisschen Angst, Unsicherheit und Vorfreude auf das kommende…Dann waren wir endlich in Position, die Heckklappe ging auf und die ersten sprangen ins Wasser.
Für mich hatte der Gedanke, dass ich nicht ins Wasser springen müsste, etwas sehr beruhigendes. Also ging ich zur Chicken Ladder. Und wurde enttäuscht: keine Leiter, es war eine Tür ins schwarze Nichts!!! Also, dann doch die Rampe (und das ich, wo ich noch nicht mal von nem Startblock springe, wenn ich nicht muss). Ich setzte mich auf die Kante, sammelte mich für 30sek (die Helfer fragten mich schon, ob alles ok sei) und SPRANG! Aufschlagen im 13,5° kalten Wasser SCH§/$=, ist das kalt!), nach Luft schnappen…und feststellen, dass alles ok war. Ich schwamm zur Startlinie und positionierte mich am rechten Rand da ich beim Freiwasserschwimmen gerne einen Linksdrall entwickel. Das Schiffshorn blies und schon ging es los! Ich fand relativ schnell meinen Rhythmus und erinnerte mich immer wieder daran, dass ich nicht bummeln dürfe. Und dann fing das Problem an, das mich den ganzen Tag über begleiten würde: ich musste ganz dringend auf Toilette! Der Darm rumorte, ich versuchte ruhig zu bleiben und weiter zu schwimmen. Was mir auch mehr oder weniger gelang. Es ist halt nicht ganz einfach sich auf etwas anderes zu konzentrieren, wenn man sooo dringend muss! Ich kämpfte mich weiter, das Gefühl für die Zeit geht mir im Wasser ohnehin immer ab. Endlich, das Ufer! ich renne aus dem Wasser, da läuft mir Alex schon entgegen, ich zerre mir die Neoprensachen vom Leib und sage, dass ich GANZ DRINGEND muss. Er klärt es mit einem Helfer, der mich ins Hotel nebendran begleitet (es gibt in der Wechselzone kein Dixi). Es ist, wie befürchtet, bester Durchfall. Ok, heulen hilft nichts, wieder zurück, Radklamotten an und los gehts endlich mit dem Rennen.
Ausgerüstet mit Licht und Warnweste geht es raus aus Eidfjord. Mir klappern die Zähne…Das Wetter ist trocken aber neblig bei irgendwas um 10° (?). Ich hatte mich schon die Tage vorher für Knielinge, Armlinge, Trikot und Weste entschieden. Eine gute Wahl wie sich zeigen wird. Auf der alten und neuen Straße geht es Richtung Hardangervidda – endlich ein Anstieg zum warm werden. Nach 5km ist das Zähne klappern endlich zuende. Ich überhole einen nach dem anderen in dem Anstieg und kurbele den Anstieg rauf. Bei km 35 in Dyranut habe ich mich mit Alex verabredet – neues Essen und warmes Wasser zu trinken. Ausnahmsweise mache ich nicht den Brüllaffen und suche nur nach der grünen Jacke, rolle an der Verpflegungszone vorbei und sehe Alex nicht. Kleine Panikattacke! Da ich aber auf jeden Fall was zu trinken brauche und Alex wissen muss, dass ich durch bin, drehe ich um und mache jetzt den Brüllaffen. Da kommt er schon gerannt. Ich ziehe mir die Regenjacke für die kommende Abfahrt an, Austausch von drei Worten und ab Richtung Geilo (diese Aktion wird mich die Radbestzeit des Tages gekostet haben). Mit Rückenwind geht es über die Hardangervidda. Man, macht das Spaß! Ein paar leichtere Anstiege mittendrin werden locker gekurbelt, aber meistens geht es bergab. Vor Geilo steht Alex wieder und wartet mit Wasser – ich habe noch genug und rausche vorbei.
Der Verkehr mit den Supportern wird ein bisschen dünner bzw man “trifft” immer wieder die gleichen. Aus den Nicht-Supportautos wird man ebenfalls angefeuert (ich habe das “Heia” immer noch in meinen Ohren!). Es wird sehr rücksichtsvoll gefahren (auch auf den Trainingstouren wurde ich nie angehupt) und die Straßen sind unglaublich sauber. Nicht nur, dass kein Abfall am Wegesrand liegt (es ist absolut verpönt in Norwegen, Müll in der Natur zu entsorgen), sondern ich habe auch nicht eine kaputte Glasflasche oder Scherben auf der Tour gesehen. Ein Paradies für Radfahrer in der Hinsicht!
Kurz vor Geilo überholen mich fünf Athleten und fangen das Bummeln an, sobald sie mich “haben”. Auf diese Art von Spielchen habe ich keine Lust, ich trete nochmal an und überhole sie wieder. Am Ortsausgang von Geilo im nächsten, 5km langen Anstieg wartet Alex. Regenjacke wieder aus, Wasser zugeladen, Gels erneuert und weiter. Ich klettere hoch (dieses war der erste Streich…) und in einer schönen Abfahrt geht es wieder runter. Unten angekommen geht es natürlich wieder rauf. Dieses Mal für knappe 6km. Oben wartet Alex wieder mit Wasser. Ich muss ein bisschen auf den Magen achten, der sich immer wieder meldet. Und wieder geht es runter. Kaum unten, geht es natürlich auch wieder rauf. Dann kommt der letzte Anstieg – 8km. Also nur noch der Feldberg von Oberursel bis zum Sandplacken, allerdings mit eine bisschen mehr Steigung. Alex wartet wie immer, ich brülle rüber, dass er für das Laufen doch bitte die Sonnencreme zurecht legt und nun geht es über eine Hochebene leicht hoch für weitere 4km. Die Landschaft ist sagenhaft, aber so richtig Zeit zum Kucken habe ich nicht. Dann, endlich die Abfahrt! Es geht mit leichten Serpentinen los und dann rollt es kontinuierlich für die nächsten 30km. Der Straßenbelag weist teilweise fiese Querrillen auf, dass ich immer wieder Angst habe, dass mir mein Flickzeug oder eine Plombe verloren geht. Ich passiere das 170-Kilometerschild. Und ich dachte schon, ich hätte mich verfahren! Denn seit Kilometern hatte ich weder einen anderen Athleten noch ein Supportauto gesehen.
Dann kommt endlich die dritte Rechtsabzweigung in Austbygdi. Es kann nicht mehr weit bis zur WZ2 sein! Ich überhole noch einen Mitstreiter und dann darf ich vom Rad. Alex hat alles in der charmantesten Wechselzone, die ich bisher gesehen habe (grüne Wiese, jeder sucht sich seinen Platz) vorbereitet, er reißt mir die Radklamotten runter und cremt mir die Schultern ein, während ich die Schuhe anziehe. Und dann geht es im Schlappschritt los. Doch halt! Erst mal meldet sich der Darm, ab in Gebüsch! Schon besser! Es geht auf einer schönen Straße entlang eines Sees – mit leichten Wellen gespickt, damit uns auf keinen Fall langweilig wird. Alex wartet alle zwei Kilometer auf mich mit Wasser und Cola. Der Magen ist zu dem Zeitpunkt nicht mehr willens, noch was an Gel aufzunehmen und so steige ich bei Kilometer 10 auf Cola um. Trotzdem muss ich bis Kilometer 25 noch zweimal ins Gebüsch. Bei Kilometer 19 sehe ich endlich den Gipfel! Ich bin froh, dass es in Rjukan dann endlich rauf geht. Ich trippel-jogge den Anstieg rauf. Und Alex steht nach wie vor alle 1-2km am Rand und wartet. Ich erlaube mir eine kurze Gehpause, dann laufe ich weiter. Bei Kilometer 28 rum fragt er, ob ich wissen will, wo ich liege. “Ist das interessant?” frage ich. Erst da erfahre ich, dass ich in Führung liege. Tief durchatmen und weitermachen! Ich arbeite mich in 5km Schritten Richtung Gipfel – dabei überhole ich einige spazierengehende Athleten. Endlich, Kilometer 32,5! Nummer wird am Checkpoint auf der Liste abgehakt, dann los zu Kilometer 37,5 – dem Checkpoint, bevor es vom Asphalt auf das Geröll geht. Alex war vorgefahren und wartet mit den beiden Rucksäcken. ich werde gefragt, ob ich Essen, Trinken, warme Kleidung und das Handy dabei habe und wir dürfen weiter (unter zahlreichen “Heia”-Rufen natürlich! :-)). Uns kommen vielen Wanderer entgegen – alle feuern an. Der Nopogo treibt aber ich kann für den Moment nicht schneller. Der Magen vermeldet Hunger! Sehr gut! ich esse einen Riegel und sofort macht sich die zugeführte Energie bemerkbar. Der Schritt wird schneller und der Gipfel kommt immer näher. Der Mitstreiter, der mal vor und mal hinter uns hochstieg, überholt mich zum letzten Mal. Alex rennt schon zum Ziel für ein Foto und ich steige die letzten Meter rauf. Oben angekommen kann ich es kaum glauben! GESCHAFFT!
Ich bekomme ein Decke umgehängt, Fotos werden gemacht und da kommt auch schon die zweite Frau. Nächstes Foto, dann bekomme ich Tomatensuppe zu essen. Ich bin in dem Moment unglaublich müde, zufrieden und mir tun die Beine weh! Hatte ich vor dem Rennen noch die Idee, dass ich mit Alex noch absteigen könnte, muss ich diese leider verwerfen. Keine Chance. Ich ziehe mich um und ich steige runter zur Bahn, während Alex den Abstieg startet. Die unterirdische Bahn bringt mich in zwei Etappen nach unten, der Shuttlebus dann wieder zum Checkpoint km37,5, wo ich auf Alex warte. Der kommt gegen halb 8 unten an, wir suchen unser Wohnmobil und machen Platz für das nächste Supportauto. Wir haben eine Reservierung für einen Campingplatz unten in Rjukan, aber wir biegen auf den nächstbesten Zeltplatz ein. Auch da das übliche Prozedere: duschen, Nudeln machen und dann endlich schlafen – ohne von Mücken aufgefressen oder durch störende Geräusche wach gehalten zu werden. Innerhalb von Sekunden bin ich nach einem erlebnisreichen Tag eingeschlafen.
Die Siegerehrung am nächsten Tag ist schnell und schnmerzlos abgehandelt. Ab 10 Uhr kann sich jeder Finisher sein T-Shirt abholen, um 11 fängt die Siegerehrung an. Die ersten drei Frauen werden nach vorne gerufen, Foto gemacht und verabschiedet. Die ersten drei Männer werden nach vorne gerufen, Foto gemacht und verabschiedet. Es gibt das Gruppenfoto mit allen Teilnehmern vor dem Gaustatoppen und damit ist der offizielle Teil beendet. Wir bleiben noch an der Strecke am Nachmittag und feuern noch eine Bekannte an und fahren dann zu Auster und Leif, die in der Nähe von Rjukan Urlaub machen. Dort verbringen wir einen wunderbar entspannten und entspannenden Nachmittag, bevor wir uns am folgenden Tag Richtung Fähre nach Oslo aufmachen.
Nun sind wir wieder zurück, ich bin immer noch ganz geflasht von dem Rennen. Mal sehen, ob ich mich wieder für die Lotterie im kommenden Jahr melden werde… 🙂