Morgens um 2 klingelte wie immer der Wecker. Dieses Mal waren wir nicht mit einem Camper unterwegs, sondern mit dem Transporter und einem Zelt. Dummerweise regnete es die Nacht vor dem Rennen, so dass wir im nassen Dunkel auch noch ein Zelt abbauen mussten. Dennoch waren wir rechtzeitig in der Wechselzone zum Einchecken des Rades. Es regnete nicht, aber in den umliegenden Bergen zuckten immer wieder Blitze – ganz so wie schon am Tag vorher bei der Wettkampfbesprechung angekündigt. Aber noch gab es keine alternative Ansage, so dass wir zum Bootsanleger trotteten und wir uns auf das Schwimmen vorbereiteten.
Ich gebe zu: das Schwimmen war dieses Jahr nicht meine Lieblingsdisziplin. Irgendwie war ich trotz Training nicht in den Tritt gekommen und die Hoffnung, dass es kein Schwimmen geben könnte, beflügelte mich. Und manchmal werden Wünsche ans Universum erfüllt… Aber erst einmal schifften wir ein und warteten auf das Ablegen des Bootes. Letzteres allerdings zog sich hin. Irgendwann gegen halb 5 stiegen Katrin und Beat von der Orga mit besorgten Gesichtern die Treppe zum Bootskapitän hinauf – und brauchten ziemlich lange, bis sie wieder runter kamen. Damit wurde ein pünktlicher Start um 5 unmöglich. Dann kam die Ansage von Katrin, dass wir nicht ab den Brissago Inseln schwimmen würden, aber auch Plan B (der 6km Lauf) nicht einträte, sondern dass wir alternativ eine Strecke von 1km entlang des Ufers schwimmen würden (was im Rückblick eine richtige Entscheidung war, denn innerhalb von einer Std nach unserem Start ging das Gewitter auf dem See los). So wanderten also 200 Athleten entlang der Strandpromenade ein Stück weiter westlich und wurden auf dem Bootssteg wie immer von Beat verabschiedet. Während wir überwiegend noch auf dem Bootssteg standen, gingen plötzlich die Kuhglocken und die Meute stürzte ins Wasser. Das war dieses Jahr gefühlt auch kälter als sonst und ich war froh, dass es nur ein kurzer Ausflug mit dem Neo geben würde. Nach knapp 25 Minuten (sagte ich nicht, dass ich nicht gut drauf sei beim Schwimmen?) war ich aus dem Wasser, Alex holte mich am Strand ab und dann ging es zum Rad, Anziehen und ab ging durch das frühmorgendliche Ancona.
Noch war das Wetter trocken und so rollten wir Richtung Bellinzona. An dem Abzweig stand wie immer Alex – und kurz danach fing es an zu tropfen, noch ein wenig später ging das Tropfen in Regen über. Alex stand im Regen und bot mir die Regenjacke an, die ich dankend annahm. Und weiter ging es. Es regnete richtig, alles war nass, aber gut. Dafür waren die Beine gut, die Stimmung auch, ich konnte regelmäßig meinen Schluck aus der Gelflasche nehmen – was wollte ich also mehr. Irgendwo zwischen Biasca und Arioso hörte der Regen mal auf, aber nur, um dann wieder anzufangen. Es war relativ kühl, so dass ich auch im Anstieg zum Gotthard die Jacke anließ. Die Kehren zum Gotthard ließen sich gut fahren. Wie bemerkte es Alex: die Männer fahren bei diesem Rennen los wie die gestörten, nur um dann an den Bergen quasi stehen zu blieben. Kucken die sich das Höhenprofil vorher nicht an? Es rollte die Tremola hoch -dieses Mal sogar echt gut. Oben auf dem Pass wartete Alex mit warmem Getränk, ich zog den Reißverschluss der Jacke zu und flitzte runter. Also, relatives Flitzen natürlich – Laurens ten Damme fuhr den Pass mal in 6,5 Minuten runter – ich brauche immer noch knapp 10. Unten am Kreisel in Hospental steht der „Medizinmann“, organisiert den Verkehr und lässt mich direkt nach Reals abbiegen. Wobei…AUA! Der Antritt nach dem Kreisel zieht bei den Temperaturen ganz ordentlich an den Oberschenkeln. Aber auch nur für einen Moment.
Das erste Mal in 7 Jahren kommt ein Zug durch Zumdorf (kleinstes Dorf der Schweiz) und ich stehe wirklich vor der Schranke. Aber gut, einen Schluck trinken und dann geht es auch weiter.
Da die Tour de Suisse an dem Wochenende auch am Furka ist, fahren die Begleitfahrzeuge der großen Radteams auch immer wieder an uns vorbei – Movistar, Ineos, Katjuscha – you name it. Auf den ersten Metern am Furka werden wir fast von einem Mechanikertruck eines Continental-Teams umgefahren. Und dann geht es auf den Furka. Es tropft immer wieder, aber nie so, dass man es als Regen bezeichnen könnte. Es geht mir gut, Alex ist natürlich auch immer wieder da und bietet Essen, trinken und Bekleidung an 🙂 Oben auf dem Pass dann also das bekannte Spiel – Jacke zu und wieder runter. Das schöne ist: wegen der Tour de Suisse sind die Straßen frei von Rollsplitt und das Abfahren macht noch extra Spaß. Unten dann den Abzweig nach rechts den Grimsel rauf und ich kann es kaum glauben, dass in 5 Kilometern die Berge schon wieder vorbei sein sollen. Ich trete einfach den Grimsel rauf und freue mich auf die lange Abfahrt. Oben auf dem Grimsel drückt Alex mir eine nächste Gelflasche in die Hand und sagt, dass die dritte Frau knapp eine Minute vor mir sei. Innerhalb von wenigen Kilometern überhole ich sie und jage weiter den Berg runter. Vor der Aareschlucht rolle ich zu einem Bikepacker vor, der sich irgendwie bedroht von mir fühlt. Im letzten Anstieg mit dem Rad für den Tag überhole ich ihn.
Ab Meiningen geht es dann Richtung Bring – das erste Mal ever mit Rückenwind. Es rollt gut, der Rücken zibbelt nicht so viel und arg wie die sonstigen Jahre und ich rolle in die Wechselzone. Alex nimmt das Rad und ich würde so gerne Pipi machen – darauf freute ich mich quasi schon seit 5 Std. Aber: Dixi war belegt, also dann mal losgeschlappt. Dort sehe ich die 4. in die Wechselzone rollen. Also, weitermachen. Es geht wie immer zu den Giesbachfällen rauf. Plötzlich kommt Sampos Stimme aus dem Gebüsch (er hockte dort zum Fotos machen), dass die 2. nicht weit weg sei. Na dann…Ich schlappe die Hügel rauf und runter – es sind sehr nette Kilometer, das Wetter ist perfekt für mich. Bei Kilometer 8 kommt mir Alex mit dem Rad entgegen. Manchmal tropft es, die Beine machen, was sie sollen, alles ist gut. Ich erinnere mich nicht mehr, bei welchem Kilometer die 2. in Sichtweite kam, aber in Böningen überholte ich sie. Wir wechselten kurz ein paar Worte und dann war ich vorbei. Jetzt bloß nicht abbauen! Aber, es lief weiterhin gut. Allerdings fing das linke Knie bei Kilometer 28 an zu zucken. Muss doch nicht sein. Aber, ich fand eine Heilung, als ich mich bei Kilometer 31 mal kurz zum Pipi machen hinhockte – danach waren die Schmerzen weg. Alex fuhr wie immer vor, ließ die Rucksäcke checken und wartete auf mich. Am Checkpoint wartete Dominik, wünschte mir alles gute für die letzten Meter. Und dann ging es wie immer steil nach oben. Wir kampfandern unseren Weg den Berg hoch. Die Sonne kommt raus! Und das bei der Ankündigung eines kompletten Regentags. Wir kommen nach Alpiglen zu den Salzstangen. Alex schnorrt mir noch ein gel und einen Koffeinshot und dann nehmen wir die letzten Kilometer in Angriff. Vor dem Ziel fängt es natürlich an zu regnen 🙂 Aber wir kommen oben an und ich freue mich wie Bolle. Was ein guter Tag!
Flora, die Siegerin, wartete noch und wir gratulierten uns.
Dann das übliche: umziehen, als die 3. auch ankommt und wir quatschen, während wir uns umziehen. Wir müssen nicht lange auf die Bahn nach Grindelwald warten. Unten angekommen schlappe ich zum Campingplatz (mittlerweile erinnern sie sich dort an mich), während Alex das Auto holt. Als er dann gegen 10 Uhr zurück ist, regnet es in Strömen und wir bauen das Zelt im nassen Dunkel auf.
Ein weiterer längster Tag des Jahres ist vorbei!
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